Interview with Nadja Mack, Deutsche Welle Australien
DW: Frau Nielsen, Föhr ist gerade mal 4,8 Kilometer breit, 12 Kilometer lang und umfasst eine Fläche von 82 Quadratkilometern. In ihrem Leben – selbst im fernen Australien - scheint die Insel aber übergross zu sein. Warum?
Auf Föhr hat man nie das Gefühl geografisch eingeschränkt zu sein! Zum einen gibt es dort eine Stadt, Wyk, und sechzehn verschiedene, eigenständige Dörfer! Ähnlich wie Melbourne hat Wyk verschiedene Wohngebiete und einen Stadtkern mit einem sehr schönen, vielseitigen Einkaufszentrum. Das feinste „Viertel“ ist die Umgebung des Sandwalls, der vor Jahrhunderten tatsächlich ein Sandwall war, heute aber eine Fußgängerzone ist. Die liegt direkt am Strand, mit herrlichen Geschäften und vielen Restaurants und Cafés, die alle auch unter der Lindenallee, die sich an die Fußgängerzone anschließt, gemütliche, sonnenbeschirmte Tische stehen haben. Auf der südöstlichen Seite der Stadt liegt der breite Sandstrand, nach Westen ist Wyk von einer Reihe von Wäldern umsäumt. Man kann stundenlang durch die Wälder spazieren- oder zumindestens bis zum nächsten Café! Die nördliche Hälfte der Insel besteht aus der Marsch. Und ähnlich wie ich es in meinem Buch Die Frau des Marschbauern beschreibe, hat man ein Gefühl der endlosen Weite und Einsamkeit, wenn man dieses grüne, flache Land betritt (oder mit dem Fahrrad durchradelt). Weiden, Äcker, Weizen- und Gerstefelder – Kühe, Schafe und unzählige Vögel bevölkern die Marsch.
DW: Frau Nielsen, Föhr ist gerade mal 4,8 Kilometer breit, 12 Kilometer lang und umfasst eine Fläche von 82 Quadratkilometern. In ihrem Leben – selbst im fernen Australien - scheint die Insel aber übergross zu sein. Warum?
Auf Föhr hat man nie das Gefühl geografisch eingeschränkt zu sein! Zum einen gibt es dort eine Stadt, Wyk, und sechzehn verschiedene, eigenständige Dörfer! Ähnlich wie Melbourne hat Wyk verschiedene Wohngebiete und einen Stadtkern mit einem sehr schönen, vielseitigen Einkaufszentrum. Das feinste „Viertel“ ist die Umgebung des Sandwalls, der vor Jahrhunderten tatsächlich ein Sandwall war, heute aber eine Fußgängerzone ist. Die liegt direkt am Strand, mit herrlichen Geschäften und vielen Restaurants und Cafés, die alle auch unter der Lindenallee, die sich an die Fußgängerzone anschließt, gemütliche, sonnenbeschirmte Tische stehen haben. Auf der südöstlichen Seite der Stadt liegt der breite Sandstrand, nach Westen ist Wyk von einer Reihe von Wäldern umsäumt. Man kann stundenlang durch die Wälder spazieren- oder zumindestens bis zum nächsten Café! Die nördliche Hälfte der Insel besteht aus der Marsch. Und ähnlich wie ich es in meinem Buch Die Frau des Marschbauern beschreibe, hat man ein Gefühl der endlosen Weite und Einsamkeit, wenn man dieses grüne, flache Land betritt (oder mit dem Fahrrad durchradelt). Weiden, Äcker, Weizen- und Gerstefelder – Kühe, Schafe und unzählige Vögel bevölkern die Marsch.
Und immer säuselt hier ein leichter Wind. Die Luft schmeckt etwas salzig, weil doch die Nordsee mal grad hinter dem Deich liegt! Und der Himmel ist so groß, dass man sich drin verlieren kann. Außerdem hat man auf Föhr soviel Freiheit und Ruhe, weil die Grenzen vom Meer gesetzt werden, und der Horizont deshalb so fern rückt. Schließlich muss man sich noch das Wattenmeer dazudenken. Alle sechs Stunden wechseln die Gezeiten, und wo morgens die Nordseewellen an den Strand schlugen, ist nachmittags das weite Watt!
DW: Ihre Föhrer Familiensaga (Ebbe, Flut und Tod, Die Frau des Marschbauern, Die Stimmen der Villa Blanke Hans) ist mit dem vierten Buch, (Am Galliberg) das bereits unter Dach und Fach ist und für die Veröffentlichung vorbereitet wird, abgeschlossen. Was nun?
Augenblicklich arbeite ich an einem Projekt, das sich mit deutschen Auswanderern befasst! Dieses neue Buch nenne ich „Ein bisschen Heimat im Gepäck“. Ich unterhalte mich mit ganz verschiedenen Deutschen, die alle gemeinsam haben, dass sie einst nach Australien ausgewandert sind. Ganz unterschiedlich sind ihre Hintergründe. Einige kamen aus Pommern oder Schlesien. Andere aus Großstädten oder kleinen Dörfern. Einige (wenige) sind schon vor dem Zweiten Weltkrieg ausgewandert, andere erst kürzlich. Es sind Vertriebene dabei, und Menschen, die aus religiösen oder wirtschaftlichen Gründen kamen. Solche, die aus Abenteuerlust herzogen, oder weil die Liebe sie hierher trieb. Die Geschichten sind berührend, die Schicksale ergreifend. Weiter interessiert es mich auch, wie sie Australien erleben.
Wie erfahren sie den Multikulturismus, wie haben sie sich mit der anderen Kultur und der Sprache arrangiert? Wenn ich dieses Buch nächstes Jahr abschließe, kommt sofort wieder ein Föhrroman dran! Der geistert schon in meinem Kopf herum!
DW: Inwieweit sind Ihre Bücher autobiographisch? Gab es die starken Frauen, von denen Sie schreiben, die allesamt etwas eigen, schrullig aber liebenswert sind, so oder ähnlich auch in Ihrer Familie?
Ich stelle meine Bücher in die Kategorie „Regionalliteratur“. Die Handlungsorte, also die Insel Föhr, aber auch Amsterdam (in Die Frau des Marschbauern) oder Zürich (in Die Stimmen der Villa Blanke Hans) oder Melbourne, das in jedem der Bücher eine Rolle spielt, sind so wahrheitsgetreu wie möglich beschrieben. Das Gleiche gilt für die Menschen, die in meinen Romanen eine Rolle spielen! Da hört man dann schon das typische Norddeutsch heraus, das in unserer Gegend gesprochen wird. Und meine Romanmenschen sind richtige Inselbewohner, wie man sie bei auf Föhr antrifft. Ich schreibe auch viele meiner eigenen Erinnerungen in meine Bücher hinein. Ich leihe zum Beispiel Erinnerungen aus, die ich an meine Großeltern habe. Und ich habe nie Schwierigkeiten, mir zum Beispiel eine Kaffeetafel auszudenken, und die mit meinen Figuren zu bestücken. Spätestens wenn der Kaffeeduft durch die imaginären Räumlichkeiten zieht, fliegt die Unterhaltung um den Tisch, so dass meine Finger manchmal Schwierigkeiten haben, mitzuhalten und aufzuschreiben, was da erzählt wird!
Klar gab es solche starke Frauen auch in meiner Familie! Auf einer kleinen Insel zu überleben, auf der das Leben oft recht karg ist, die im Winter regelmäßig von Sturmfluten bedrängt wird, auf der man im Sommer, wenn die Kurgäste kommen, arbeiten muss wie verrückt, damit man durch den dürren Winter kommt – das bedarf Stärke. Die Kriegsjahre waren überall schwer – bei uns auch. Alle Familien erlitten Verluste, wenn Männer, Söhne, Brüder fielen oder Familien von Bombenangriffen betroffen wurden. Ich habe als Kind viel zugehört. Sicher habe ich da auch allerhand aufgesogen. Trotzdem sehe ich nur eins meiner Bücher, Die Stimmen der Villa Blanke Hans, als „autobiographisch“. Das Buch musste geschrieben werden, um einer Tante ein Denkmal zu setzen, deren grausames Schicksal in der Nazizeit mich immer sehr betroffen hat. Und da es mir trotz meiner Bemühungen nicht gelang, sehr viel über sie herauszufinden, konnte ich sie nur als Nebenfigur in eine erfundene Handlung setzen. Aber ich hoffe, nun werden sie und andere, die wie sie leiden mussten, nicht vergessen.
DW: Ihre Föhrer Familiensaga liest sich teilweise auch wie ein Historienroman. In Ebbe, Flut und Tod schreiben Sie vom Schicksal der Kriegswitwen, Vertriebenen und Spätheimkehrer, in Die Stimmen der Villa Blanke Hans von einem Opfer des Dritten Reiches. Wieviel Zeit verbrachten sie pro Buch allein mit der Recherche, wie viel Zeit mit dem Schreiben?
Bevor ich anfange zu schreiben, verbringe ich vielleicht ein Jahr, manchmal auch zwei damit, mich „einzuleben“. Meistens beginnt das mit einem Handlungsort. Ebbe, Flut und Tod begann eigentlich mit dem Haus der Tante, Willa. Und ich wusste, die vier Nichten Willas würden eines Tages in dieses Haus einziehen wollen. Ein Glück ist es groß genug! Als ich eines Abends im Spätsommer auf dem Fahrrad den Föhrer Deich entlang fuhr, und die Luft diesen goldenen Ton annahm, und das Watt ‚quietschte’, da musste ich ein einsames Gehöft erfinden, in dem etwas Gruseliges passiert ist. Daraus wurde dann Die Frau des Marschbauern. Die Villa Blanke Hans in dem verträumten Garten kannte ich als Kind, allerdings nur von draußen. Die Räume habe ich mir vorgestellt. Es macht großen Spaß, immer wieder neue Wohnungen zu möblieren und mit Farbmustern zu spielen. Dann kommen die Personen dazu, nehmen Gestalt an, finden ihre eigenen Stimmen und beginnen, das Geschehen zu lenken. Oft bin ich dann der amüsierte Beobachter! Die historischen Recherchen unternehme ich hauptsächlich während des Schreibens. Die müssen frisch und natürlich erscheinen und müssen zum Charakter der Romanfigur passen. Das Schreiben des Buches dauert dann ein Jahr.
DW: Wer in Melbourne zu den Märkten der deutschen Kirche, des Hilfsvereins oder der deutschen Schule geht, hat sicherlich schon Ihren Verkaufsstand gesehen und sich vielleicht auch von Föhr vorschwärmen lassen. Ist Ihnen dabei – hier in Australien – auch schon mal ein echter Föhrer untergekommen?
Ja! Ist das nicht erstaunlich? Allerdings - die Föhrer waren immer ein auswanderungsfreudiges Völkchen! Im Mittelalter sind sie auf Walfang gezogen. Die Männer zogen in den verschiedenen Kriegen durchs ganz Land, fuhren zur See oder wanderten als Handwerksburschen durch die Welt. Nach dem zweiten Weltkrieg suchten viele in Amerika ein neues Glück! Auf einer meiner Lesungen in der St Kilda Bibliothek traf ein Herr ein und stellte sich vor: Die Familie seines Onkels waren Nachbarn von uns in Wyk! Auf dem Weihnachtsbasar in der Townhall trat einer an unseren Stand und sagte: „Ich bin Amrumer!“ Amrum ist unsere Nachbarinsel! In der deutschen Dreifaltigkeitskirche nahmen zwei Amrumer an der Lesung teil! Einmal traf ich einen, dessen Bruder für die Neuanlage des Golfplatzes auf Föhr zuständig war (wir haben einen wunderschönen Naturgolfplatz mit 18 Löchern). Und ein Ehepaar antwortete auf meine Frage: „Kennen Sie die Insel Föhr?“ mit „Ja, wir haben uns gerade in Nieblum (dem ‚schönsten’ Dorf) ein Ferienhaus gekauft!“ Und dann ist da Marlis, die mich im SBS Radio sprechen hörte, und keinen Stein unbewegt ließ, bis sie mich ausfindig machte. Wenn Marlis, die die Kriegsjahre bei ihrer Oma auf Föhr verbrachte, anruft, ist es, als ob die Nordseebrise durch den Hörer bläst. Unsere Erinnerungen überschneiden sich und unsere Liebe für die Insel verbindet uns.
DW: Sind Sie eigentlich Ehrenbürgerin Föhrs? Ein Lob vom Föhrer Touristikverband haben Sie sich auf alle Fälle verdient, bei so viel Werbung um die kleine Insel.
Ja, nicht? Ich denke, bei meinem nächsten Besuch muss ich mal bei Herrn Lorenzen vorsprechen! Das ist nämlich unser Bürgermeister! Und wenn ich’s dann nicht gerade zum Ehrenbürger schaffe, dann komme ich bestimmt zu einer guten Tasse Kaffee! Aber schwierig fällt es mir nie, von Föhr zu schwärmen. Ein Freund, der ein langjähriger, überzeugter Sylturlauber war, und der dann durch meine Bücher auf Föhr neugierig wurde, bestätigte mir hinterher: „Eure Insel hat etwas ganz Bezauberndes!“
DW: In diesem Jahr haben sie auch ihr Debüt als Kinderbuchautorin gemacht. Ole Hannsen heisst die Hauptfigur, vier Jahre alt, blond und häufiger Föhrbesucher. Bisher gab es eine Geschichte. Was haben sie für Ole noch alles geplant?
Oh, Ole wird viel Abenteuer erleben! Nch Ole Hannsen steuert die Nordfriesland wird er all das tun, was Kinder eben so machen, wenn sie nach Föhr fahren oder auf Föhr leben! Von der Brücke Krebse angeln, die Störche im Storchennest beobachten, auf dem Watt nach Wattwürmern graben ... Zwei weitere Geschichten sind schon (fast) fertig. Eine handelt vom letzten Eiswinter, als die Insel fast zugeschneit war und die Nordsee einfror. Eine andere spielt an der ‚Löwenhöhle’, das ist der beste Kinderspielplatz auf Föhr. Da habe ich schon als Kind gespielt. In der Geschichte gehen Ole und sein Freund Hartmut auf Jagd und fangen einen ... aber das verrate ich nicht! Außerdem bringe ich dieses Jahr mein erstes Hörbuch heraus. Charlotte Frohmacher entdeckt das Weihnachstgeheimnis durfte ich letztes Jahr im SBS Deutschsprachigen Radio vorstellen und jetzt wird es rechtzeitig zu Weihnachten erhältlich sein! Aus Charlotte Frohmacher soll auch eine Kinderbuchserie werden.
DW: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Ich bedanke mich, dass ich mal wieder so ausführlich über Föhr erzählen durfte.
DW: Ihre Föhrer Familiensaga (Ebbe, Flut und Tod, Die Frau des Marschbauern, Die Stimmen der Villa Blanke Hans) ist mit dem vierten Buch, (Am Galliberg) das bereits unter Dach und Fach ist und für die Veröffentlichung vorbereitet wird, abgeschlossen. Was nun?
Augenblicklich arbeite ich an einem Projekt, das sich mit deutschen Auswanderern befasst! Dieses neue Buch nenne ich „Ein bisschen Heimat im Gepäck“. Ich unterhalte mich mit ganz verschiedenen Deutschen, die alle gemeinsam haben, dass sie einst nach Australien ausgewandert sind. Ganz unterschiedlich sind ihre Hintergründe. Einige kamen aus Pommern oder Schlesien. Andere aus Großstädten oder kleinen Dörfern. Einige (wenige) sind schon vor dem Zweiten Weltkrieg ausgewandert, andere erst kürzlich. Es sind Vertriebene dabei, und Menschen, die aus religiösen oder wirtschaftlichen Gründen kamen. Solche, die aus Abenteuerlust herzogen, oder weil die Liebe sie hierher trieb. Die Geschichten sind berührend, die Schicksale ergreifend. Weiter interessiert es mich auch, wie sie Australien erleben.
Wie erfahren sie den Multikulturismus, wie haben sie sich mit der anderen Kultur und der Sprache arrangiert? Wenn ich dieses Buch nächstes Jahr abschließe, kommt sofort wieder ein Föhrroman dran! Der geistert schon in meinem Kopf herum!
DW: Inwieweit sind Ihre Bücher autobiographisch? Gab es die starken Frauen, von denen Sie schreiben, die allesamt etwas eigen, schrullig aber liebenswert sind, so oder ähnlich auch in Ihrer Familie?
Ich stelle meine Bücher in die Kategorie „Regionalliteratur“. Die Handlungsorte, also die Insel Föhr, aber auch Amsterdam (in Die Frau des Marschbauern) oder Zürich (in Die Stimmen der Villa Blanke Hans) oder Melbourne, das in jedem der Bücher eine Rolle spielt, sind so wahrheitsgetreu wie möglich beschrieben. Das Gleiche gilt für die Menschen, die in meinen Romanen eine Rolle spielen! Da hört man dann schon das typische Norddeutsch heraus, das in unserer Gegend gesprochen wird. Und meine Romanmenschen sind richtige Inselbewohner, wie man sie bei auf Föhr antrifft. Ich schreibe auch viele meiner eigenen Erinnerungen in meine Bücher hinein. Ich leihe zum Beispiel Erinnerungen aus, die ich an meine Großeltern habe. Und ich habe nie Schwierigkeiten, mir zum Beispiel eine Kaffeetafel auszudenken, und die mit meinen Figuren zu bestücken. Spätestens wenn der Kaffeeduft durch die imaginären Räumlichkeiten zieht, fliegt die Unterhaltung um den Tisch, so dass meine Finger manchmal Schwierigkeiten haben, mitzuhalten und aufzuschreiben, was da erzählt wird!
Klar gab es solche starke Frauen auch in meiner Familie! Auf einer kleinen Insel zu überleben, auf der das Leben oft recht karg ist, die im Winter regelmäßig von Sturmfluten bedrängt wird, auf der man im Sommer, wenn die Kurgäste kommen, arbeiten muss wie verrückt, damit man durch den dürren Winter kommt – das bedarf Stärke. Die Kriegsjahre waren überall schwer – bei uns auch. Alle Familien erlitten Verluste, wenn Männer, Söhne, Brüder fielen oder Familien von Bombenangriffen betroffen wurden. Ich habe als Kind viel zugehört. Sicher habe ich da auch allerhand aufgesogen. Trotzdem sehe ich nur eins meiner Bücher, Die Stimmen der Villa Blanke Hans, als „autobiographisch“. Das Buch musste geschrieben werden, um einer Tante ein Denkmal zu setzen, deren grausames Schicksal in der Nazizeit mich immer sehr betroffen hat. Und da es mir trotz meiner Bemühungen nicht gelang, sehr viel über sie herauszufinden, konnte ich sie nur als Nebenfigur in eine erfundene Handlung setzen. Aber ich hoffe, nun werden sie und andere, die wie sie leiden mussten, nicht vergessen.
DW: Ihre Föhrer Familiensaga liest sich teilweise auch wie ein Historienroman. In Ebbe, Flut und Tod schreiben Sie vom Schicksal der Kriegswitwen, Vertriebenen und Spätheimkehrer, in Die Stimmen der Villa Blanke Hans von einem Opfer des Dritten Reiches. Wieviel Zeit verbrachten sie pro Buch allein mit der Recherche, wie viel Zeit mit dem Schreiben?
Bevor ich anfange zu schreiben, verbringe ich vielleicht ein Jahr, manchmal auch zwei damit, mich „einzuleben“. Meistens beginnt das mit einem Handlungsort. Ebbe, Flut und Tod begann eigentlich mit dem Haus der Tante, Willa. Und ich wusste, die vier Nichten Willas würden eines Tages in dieses Haus einziehen wollen. Ein Glück ist es groß genug! Als ich eines Abends im Spätsommer auf dem Fahrrad den Föhrer Deich entlang fuhr, und die Luft diesen goldenen Ton annahm, und das Watt ‚quietschte’, da musste ich ein einsames Gehöft erfinden, in dem etwas Gruseliges passiert ist. Daraus wurde dann Die Frau des Marschbauern. Die Villa Blanke Hans in dem verträumten Garten kannte ich als Kind, allerdings nur von draußen. Die Räume habe ich mir vorgestellt. Es macht großen Spaß, immer wieder neue Wohnungen zu möblieren und mit Farbmustern zu spielen. Dann kommen die Personen dazu, nehmen Gestalt an, finden ihre eigenen Stimmen und beginnen, das Geschehen zu lenken. Oft bin ich dann der amüsierte Beobachter! Die historischen Recherchen unternehme ich hauptsächlich während des Schreibens. Die müssen frisch und natürlich erscheinen und müssen zum Charakter der Romanfigur passen. Das Schreiben des Buches dauert dann ein Jahr.
DW: Wer in Melbourne zu den Märkten der deutschen Kirche, des Hilfsvereins oder der deutschen Schule geht, hat sicherlich schon Ihren Verkaufsstand gesehen und sich vielleicht auch von Föhr vorschwärmen lassen. Ist Ihnen dabei – hier in Australien – auch schon mal ein echter Föhrer untergekommen?
Ja! Ist das nicht erstaunlich? Allerdings - die Föhrer waren immer ein auswanderungsfreudiges Völkchen! Im Mittelalter sind sie auf Walfang gezogen. Die Männer zogen in den verschiedenen Kriegen durchs ganz Land, fuhren zur See oder wanderten als Handwerksburschen durch die Welt. Nach dem zweiten Weltkrieg suchten viele in Amerika ein neues Glück! Auf einer meiner Lesungen in der St Kilda Bibliothek traf ein Herr ein und stellte sich vor: Die Familie seines Onkels waren Nachbarn von uns in Wyk! Auf dem Weihnachtsbasar in der Townhall trat einer an unseren Stand und sagte: „Ich bin Amrumer!“ Amrum ist unsere Nachbarinsel! In der deutschen Dreifaltigkeitskirche nahmen zwei Amrumer an der Lesung teil! Einmal traf ich einen, dessen Bruder für die Neuanlage des Golfplatzes auf Föhr zuständig war (wir haben einen wunderschönen Naturgolfplatz mit 18 Löchern). Und ein Ehepaar antwortete auf meine Frage: „Kennen Sie die Insel Föhr?“ mit „Ja, wir haben uns gerade in Nieblum (dem ‚schönsten’ Dorf) ein Ferienhaus gekauft!“ Und dann ist da Marlis, die mich im SBS Radio sprechen hörte, und keinen Stein unbewegt ließ, bis sie mich ausfindig machte. Wenn Marlis, die die Kriegsjahre bei ihrer Oma auf Föhr verbrachte, anruft, ist es, als ob die Nordseebrise durch den Hörer bläst. Unsere Erinnerungen überschneiden sich und unsere Liebe für die Insel verbindet uns.
DW: Sind Sie eigentlich Ehrenbürgerin Föhrs? Ein Lob vom Föhrer Touristikverband haben Sie sich auf alle Fälle verdient, bei so viel Werbung um die kleine Insel.
Ja, nicht? Ich denke, bei meinem nächsten Besuch muss ich mal bei Herrn Lorenzen vorsprechen! Das ist nämlich unser Bürgermeister! Und wenn ich’s dann nicht gerade zum Ehrenbürger schaffe, dann komme ich bestimmt zu einer guten Tasse Kaffee! Aber schwierig fällt es mir nie, von Föhr zu schwärmen. Ein Freund, der ein langjähriger, überzeugter Sylturlauber war, und der dann durch meine Bücher auf Föhr neugierig wurde, bestätigte mir hinterher: „Eure Insel hat etwas ganz Bezauberndes!“
DW: In diesem Jahr haben sie auch ihr Debüt als Kinderbuchautorin gemacht. Ole Hannsen heisst die Hauptfigur, vier Jahre alt, blond und häufiger Föhrbesucher. Bisher gab es eine Geschichte. Was haben sie für Ole noch alles geplant?
Oh, Ole wird viel Abenteuer erleben! Nch Ole Hannsen steuert die Nordfriesland wird er all das tun, was Kinder eben so machen, wenn sie nach Föhr fahren oder auf Föhr leben! Von der Brücke Krebse angeln, die Störche im Storchennest beobachten, auf dem Watt nach Wattwürmern graben ... Zwei weitere Geschichten sind schon (fast) fertig. Eine handelt vom letzten Eiswinter, als die Insel fast zugeschneit war und die Nordsee einfror. Eine andere spielt an der ‚Löwenhöhle’, das ist der beste Kinderspielplatz auf Föhr. Da habe ich schon als Kind gespielt. In der Geschichte gehen Ole und sein Freund Hartmut auf Jagd und fangen einen ... aber das verrate ich nicht! Außerdem bringe ich dieses Jahr mein erstes Hörbuch heraus. Charlotte Frohmacher entdeckt das Weihnachstgeheimnis durfte ich letztes Jahr im SBS Deutschsprachigen Radio vorstellen und jetzt wird es rechtzeitig zu Weihnachten erhältlich sein! Aus Charlotte Frohmacher soll auch eine Kinderbuchserie werden.
DW: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Ich bedanke mich, dass ich mal wieder so ausführlich über Föhr erzählen durfte.