Vor kurzem saßen wir in einer Gruppe zu zehnt zusammen und sprachen über unsere Heimatländer, unterschiedliche Kulturen, die Vielfalt der Sprachen und heimatliche Genüsse. Als wir dann durchzählten, wie viele Nationen sich zu diesem Zeitpunkt in diesem Raum versammelt hatten, kamen wir auf sieben! Gemeinsam vertraten wir Afghanistan, Deutschland, Eritrea, den Irak, Iran, Somalia und Syrien.
Wir begannen die verschiedenen Nationalitäten zusammen zu rechnen, die auf der Insel Föhr leben. Da gibt es die alteingesessenen Friesen (mit ihrer eigenen Sprache, dem Fering); die plattdeutsch- oder hochdeutsch sprechenden Föhrer; die Föhr-Amerikaner (die nach dem 2. Weltkrieg Glück- und Arbeit suchend nach Amerika auswanderten); die Dänen, die seit der Volksabstimmung im Jahre 1920 zur dänischen Minderheit auf unserer Insel gehören – und außerdem alle die Zugewanderten: Menschen aus anderen Teilen Deutschlands, aus Polen, der Tschechischen Republik, Rumänien, Russland, der Ukraine, Sibirien, Tschetschenien, Frankreich, Italien, Griechenland, der Türkei, China, Australien – sogar Schweizer finden regelmäßig den Weg in den Norden und wahrscheinlich viele Andere, die ich noch nicht getroffen habe.
Wir begannen die verschiedenen Nationalitäten zusammen zu rechnen, die auf der Insel Föhr leben. Da gibt es die alteingesessenen Friesen (mit ihrer eigenen Sprache, dem Fering); die plattdeutsch- oder hochdeutsch sprechenden Föhrer; die Föhr-Amerikaner (die nach dem 2. Weltkrieg Glück- und Arbeit suchend nach Amerika auswanderten); die Dänen, die seit der Volksabstimmung im Jahre 1920 zur dänischen Minderheit auf unserer Insel gehören – und außerdem alle die Zugewanderten: Menschen aus anderen Teilen Deutschlands, aus Polen, der Tschechischen Republik, Rumänien, Russland, der Ukraine, Sibirien, Tschetschenien, Frankreich, Italien, Griechenland, der Türkei, China, Australien – sogar Schweizer finden regelmäßig den Weg in den Norden und wahrscheinlich viele Andere, die ich noch nicht getroffen habe.
Nicht schlecht für eine kleine Insel von knapp 10.000 Einwohnern!
Wahrlich: Wir vertreten die ‘Vereinigten Staaten Föhrs’!
Lange habe ich im Ausland gelebt und gehörte selbst zu einer Minorität in einem Land, dass von der britischen Kultur und Gesetzgebung geprägt war. Jahrelang wurde von mir erwartet, dass ich mich ‘integriere’, Australierin werde. Einerseits wollte ich mich natürlich eingliedern – wollte nicht die ‘Andere’, die ‘Fremde’ bleiben, wollte dazu gehören, mitreden und mitmachen können. Andererseits war ich aber auch nicht bereit, meine Herkunft zu vergessen. Immerhin fand ich vieles, was ich aus meiner Kindheit und Jugend noch mit herumtrug, gut! Ich sang zum Beispiel gern, vor allem beim Hausputz! Viele Australier fanden das komisch!
Zu Weihnachten sangen sie zwar in der Kirche oder in der Myer Music Ball (einer Freilichtbühne) 'Carols by Candlelight', aber nicht unter ihrem eigenen Tannenbaum.
Meine deutsche Gründlichkeit und mein Organisationstalent wurden oft verspottet. Der Australier sagt gern: ”She’ll be right”, und meint damit: Halbsweg gut ist gut genug. Ich schloss also meinen eigenen Kompromiss mit meinem Gastland: Ich hielt mich an ihre Regeln und passte mich an, behielt aber gleichzeitig gewisse deutsche Traditionen und Rituale, die mir lieb waren. Ich sprach auch mit meinem Sohn von Anfang an Deutsch, was die australische Familie meines Mannes schockierte. Sie dachten, es würde einerseits das Kind verwirren, ihn andererseits im Kindergarten und in der Schule zum Außenseiter abstempeln. Beides geschah nicht und Studien beweisen inzwischen, dass Kinder, die mit mehr als einer Sprache aufwachsen, bereichert sind. In unserer globalen Welt sind vielsprachige Menschen mobil, sie haben mehr Möglichkeiten sich beruflich zu entfalten.
Zu Weihnachten sangen sie zwar in der Kirche oder in der Myer Music Ball (einer Freilichtbühne) 'Carols by Candlelight', aber nicht unter ihrem eigenen Tannenbaum.
Meine deutsche Gründlichkeit und mein Organisationstalent wurden oft verspottet. Der Australier sagt gern: ”She’ll be right”, und meint damit: Halbsweg gut ist gut genug. Ich schloss also meinen eigenen Kompromiss mit meinem Gastland: Ich hielt mich an ihre Regeln und passte mich an, behielt aber gleichzeitig gewisse deutsche Traditionen und Rituale, die mir lieb waren. Ich sprach auch mit meinem Sohn von Anfang an Deutsch, was die australische Familie meines Mannes schockierte. Sie dachten, es würde einerseits das Kind verwirren, ihn andererseits im Kindergarten und in der Schule zum Außenseiter abstempeln. Beides geschah nicht und Studien beweisen inzwischen, dass Kinder, die mit mehr als einer Sprache aufwachsen, bereichert sind. In unserer globalen Welt sind vielsprachige Menschen mobil, sie haben mehr Möglichkeiten sich beruflich zu entfalten.
Seitdem ich wieder in Deutschland lebe, fühle ich mich irgendwie freier und unbefangener. Ich kann ‘ich’ sein – eine Deutsche unter Deutschen, eine Föhrerin unter Föhrern. Ich brauche nicht mehr aufpassen und kann spontaner leben.
Natürlich hatte ich aus der Ferne von der Flüchtlingswelle gehört, die Deutschland, so hieß es in der australischen Presse, ‘schier überflutete’. “What’s happening to your poor Germany?” wurde ich manchmal von besorgten Freunden und Bekannten gefragt (Was passiert deinem armen Deutschland?).
Ich sah mich auf meinen Heimatbesuchen auf Föhr um, las den “Inselboten” und andere gängige deutsche Nachrichtenblätter und war im Großen und Ganzen beeindruckt von den Bemühungen vieler, den Leuten zu helfen, die ihre Heimaten aus verschiedenen Gründen verlassen hatten.
Seit Mai 2017 leben mein Mann und ich wieder fest auf Föhr und ich empfinde mich inzwischen als ein Heimkehrer. Ich wollte mich mit Integration höchstens als Zuschauer vorm Fernseher oder Leser der Tageszeitung beschäftigen. Es kam anders.
Schon kurz nach unserer Ankunft wurde ich gefragt, ob ich vielleicht aushelfen könnte, ich hätte doch in Australien Deutsch als Fremdsprache unterrichtet und man suche hier dringlichst nach Lehrkräften, um den Asylanten und Flüchtlingen bei der Integration zu helfen.
Und so saß ich denn in meiner Funktion als DaF Lehrerin in unserem fröhlichen Kreis, den ich am Anfang beschreibe. Eigentlich nenne ich mich ungern Lehrerin – ich sehe mich eher als ‘facilitator’ (deutsche Übersetzung laut leo.org: Vermittlerin oder Unterstützerin). Ich vermittle den Kursteilnehmern die Feinheiten der deutschen Sprache, die man allein durchs Hören nicht unbedingt wahrnimmt: wie man das ‘der, die und das’ richtig einsetzt, wie die Wortendungen aussehen, das Konjugieren und Deklinieren usw.
Sprechen tun sie alle ganz gut – das Lesen und Schreiben macht einigen Schwierigkeiten oder ist ungewohnt, aber wenn ich ihre eigenen wunderschönen Schriftzeichen sehe, die eher kleinen Kunstwerken ähneln als Buchstaben, dann wundere ich mich nicht! Nie würde ich ihre Sprache so hübsch zu Papier bringen können wie sie!
Nach unserer Verwunderung und Freude, dass Föhr so viele Nationen beherbergt, wird es ernster.
Ich versuche mich vorsichtig zu erkundigen, wie sie denn akzeptiert werden, hier in unserer 10.000-köpfigen Gesellschaft. Sie zögern, wollen mich als einzige Deutsche nicht beleidigen – erwähnen nur die Blicke, die ihre Frauen ernten, wenn mehrere Familien einmal im Monat gemeinsam im Zug nach Hamburg fahren, um dort einen Großeinkauf zu tätigen. Nicht nur Blicke ernten ihre Kopftücher, denke ich mir, wahrscheinlich auch Worte.
“Es ist eigentlich gar nicht so lange her,” erzähle ich ihnen, “dass die Föhrer Frauen mit Kopftüchern auf die Straße gingen.” In meiner Kindheit in den 50er und 60er Jahren war das ganz normal. “Und schaut euch doch die Friesentracht an: Kopftücher!” sage ich.
Andere Beispiele fallen mir ein: Lange trugen Frauen zum Gottesdienst in der katholischen Kirche eine Kopfbedeckung, meist eine Art Spitzenschal, lose übers Haar drapiert.
Eine australische Schwägerin zittert heute noch vor Wut, wenn sie sich erinnert, wie ein katholischer Pfarrer ihrer Kindheit sich weigerte, ihr das Abendmahl zu reichen, anstatt mitten in der Messe laut und herrisch in die Gemeinde rief: “Gebe jemand diesem Mädchen eine Kopfbedeckung!”
Moden und Regeln ändern sich – und doch fällt es uns oft schwer, das Andere, das Ungewöhnliche, das Neue zu akzeptieren. Mein erster ‘Minirock’ endete zwei Zentimeter über dem Knie und verursachte eine Familiendebatte – als die Röcke immer höher rutschten, hob sich kaum noch eine Augenbraue!
Und doch führen muslimische Kopfbedeckungen wie Hidschab, Chimar oder Amira zu Folgerungen, die mit Vorurteilen über den Islam an sich verbunden sind.
Auch meine Kursteilnehmer geben zu: Muslime haben es in Deutschland nicht immer leicht.
Wie entstehen solchen Vorurteile? Warum glauben viele, dass ‘alle Muslime’ gefährlich, gar Terroristen sind? Dass sie die deutsche Kultur und Gesellschaft untergraben, eine Gefahr für die deutschen Werte darstellen?Thomas Müller ist ein Spezialist für Krisen-PR. In einem Interview in der Osho Times (Nov 2016) spricht er über “subjective Wahrheit”:
“Das, was wir für wahr halten, ist ganz stark von der
Kultur geprägt, in der wir groß werden. In jeder Kultur
gibt es Geschichten mit bestimmten Erzählsträngen.
Und egal, was wir uns als Menschen vormachen,
funktionieren wir letztlich doch eher simple. Wenn es
gelingt, ‘Wahrheiten’ in Erzählsträngen wiederzugeben,
die in einer Kultur bereits verankert sind, dann
werden solche ‘Wahrheiten’ durchdringen.”
Thomas Müller
Als Beispiel nennt Thomas Müller die Propaganda der Nazis, die zur gnadenlosen Verfolgung der Juden führte. Es fiel ihnen nicht schwer, das jüdische Volk zum Sündenbock aller üblen Umstände zu ernennen, weil “die christliche Kultur seit Jahrhunderten davon geprägt war, dass es eben ‘der Jude’ war, der den Gottessohn verraten hat.”
Ähnlich ist es wohl auch mit der sogenannten Wahrheit über den Islam. Seit Jahrhunderten bezeichnen Christen und Muslime einander als ‘Ungläubige’. Die Kreuzzüge des Mittelalters galten als ein christlich-heiliger Kampf, der der Kirche und Gott dienen sollte – und die zu einem ‘Erzählstrang’ wurden, der auch heute noch Unverständnis und Rassismus nährt. Thomas Müller erwähnt, dass z.B. in der türkischen Kultur seit Jahrhunderten die Geschichte lebt, dass “Christen immer wieder versuchen, ihre Symbole in Mosheen anzubringen.” Misstrauen wird gesät und verbreitet sich.
Ich sah mich auf meinen Heimatbesuchen auf Föhr um, las den “Inselboten” und andere gängige deutsche Nachrichtenblätter und war im Großen und Ganzen beeindruckt von den Bemühungen vieler, den Leuten zu helfen, die ihre Heimaten aus verschiedenen Gründen verlassen hatten.
Seit Mai 2017 leben mein Mann und ich wieder fest auf Föhr und ich empfinde mich inzwischen als ein Heimkehrer. Ich wollte mich mit Integration höchstens als Zuschauer vorm Fernseher oder Leser der Tageszeitung beschäftigen. Es kam anders.
Schon kurz nach unserer Ankunft wurde ich gefragt, ob ich vielleicht aushelfen könnte, ich hätte doch in Australien Deutsch als Fremdsprache unterrichtet und man suche hier dringlichst nach Lehrkräften, um den Asylanten und Flüchtlingen bei der Integration zu helfen.
Und so saß ich denn in meiner Funktion als DaF Lehrerin in unserem fröhlichen Kreis, den ich am Anfang beschreibe. Eigentlich nenne ich mich ungern Lehrerin – ich sehe mich eher als ‘facilitator’ (deutsche Übersetzung laut leo.org: Vermittlerin oder Unterstützerin). Ich vermittle den Kursteilnehmern die Feinheiten der deutschen Sprache, die man allein durchs Hören nicht unbedingt wahrnimmt: wie man das ‘der, die und das’ richtig einsetzt, wie die Wortendungen aussehen, das Konjugieren und Deklinieren usw.
Sprechen tun sie alle ganz gut – das Lesen und Schreiben macht einigen Schwierigkeiten oder ist ungewohnt, aber wenn ich ihre eigenen wunderschönen Schriftzeichen sehe, die eher kleinen Kunstwerken ähneln als Buchstaben, dann wundere ich mich nicht! Nie würde ich ihre Sprache so hübsch zu Papier bringen können wie sie!
Nach unserer Verwunderung und Freude, dass Föhr so viele Nationen beherbergt, wird es ernster.
Ich versuche mich vorsichtig zu erkundigen, wie sie denn akzeptiert werden, hier in unserer 10.000-köpfigen Gesellschaft. Sie zögern, wollen mich als einzige Deutsche nicht beleidigen – erwähnen nur die Blicke, die ihre Frauen ernten, wenn mehrere Familien einmal im Monat gemeinsam im Zug nach Hamburg fahren, um dort einen Großeinkauf zu tätigen. Nicht nur Blicke ernten ihre Kopftücher, denke ich mir, wahrscheinlich auch Worte.
“Es ist eigentlich gar nicht so lange her,” erzähle ich ihnen, “dass die Föhrer Frauen mit Kopftüchern auf die Straße gingen.” In meiner Kindheit in den 50er und 60er Jahren war das ganz normal. “Und schaut euch doch die Friesentracht an: Kopftücher!” sage ich.
Andere Beispiele fallen mir ein: Lange trugen Frauen zum Gottesdienst in der katholischen Kirche eine Kopfbedeckung, meist eine Art Spitzenschal, lose übers Haar drapiert.
Eine australische Schwägerin zittert heute noch vor Wut, wenn sie sich erinnert, wie ein katholischer Pfarrer ihrer Kindheit sich weigerte, ihr das Abendmahl zu reichen, anstatt mitten in der Messe laut und herrisch in die Gemeinde rief: “Gebe jemand diesem Mädchen eine Kopfbedeckung!”
Moden und Regeln ändern sich – und doch fällt es uns oft schwer, das Andere, das Ungewöhnliche, das Neue zu akzeptieren. Mein erster ‘Minirock’ endete zwei Zentimeter über dem Knie und verursachte eine Familiendebatte – als die Röcke immer höher rutschten, hob sich kaum noch eine Augenbraue!
Und doch führen muslimische Kopfbedeckungen wie Hidschab, Chimar oder Amira zu Folgerungen, die mit Vorurteilen über den Islam an sich verbunden sind.
Auch meine Kursteilnehmer geben zu: Muslime haben es in Deutschland nicht immer leicht.
Wie entstehen solchen Vorurteile? Warum glauben viele, dass ‘alle Muslime’ gefährlich, gar Terroristen sind? Dass sie die deutsche Kultur und Gesellschaft untergraben, eine Gefahr für die deutschen Werte darstellen?Thomas Müller ist ein Spezialist für Krisen-PR. In einem Interview in der Osho Times (Nov 2016) spricht er über “subjective Wahrheit”:
“Das, was wir für wahr halten, ist ganz stark von der
Kultur geprägt, in der wir groß werden. In jeder Kultur
gibt es Geschichten mit bestimmten Erzählsträngen.
Und egal, was wir uns als Menschen vormachen,
funktionieren wir letztlich doch eher simple. Wenn es
gelingt, ‘Wahrheiten’ in Erzählsträngen wiederzugeben,
die in einer Kultur bereits verankert sind, dann
werden solche ‘Wahrheiten’ durchdringen.”
Thomas Müller
Als Beispiel nennt Thomas Müller die Propaganda der Nazis, die zur gnadenlosen Verfolgung der Juden führte. Es fiel ihnen nicht schwer, das jüdische Volk zum Sündenbock aller üblen Umstände zu ernennen, weil “die christliche Kultur seit Jahrhunderten davon geprägt war, dass es eben ‘der Jude’ war, der den Gottessohn verraten hat.”
Ähnlich ist es wohl auch mit der sogenannten Wahrheit über den Islam. Seit Jahrhunderten bezeichnen Christen und Muslime einander als ‘Ungläubige’. Die Kreuzzüge des Mittelalters galten als ein christlich-heiliger Kampf, der der Kirche und Gott dienen sollte – und die zu einem ‘Erzählstrang’ wurden, der auch heute noch Unverständnis und Rassismus nährt. Thomas Müller erwähnt, dass z.B. in der türkischen Kultur seit Jahrhunderten die Geschichte lebt, dass “Christen immer wieder versuchen, ihre Symbole in Mosheen anzubringen.” Misstrauen wird gesät und verbreitet sich.
Heute wissen wir, wie leicht eine Unwahrheit – oder ‘fake news’ – aufgestellt und verbreitet werden kann. Und wie schwer es ist, das einmal Behauptete zu widerlegen.
Ich erzähle meinen Kursteilnehmern von meinen eigenen Erfahrungen – 45 Jahre habe ich als ‘Deutsche’
in Australien gelebt. Nicht meine Kleidung verriet mich, aber mein Akzent (der eher leicht war, ich wurde oft für eine Skandinavierin gehalten) und gewisse kulturelle Unterschiede, z.B. dass wir das Weihnachtsfest am
24. Dezember feierten und nicht wie die Australier am 25., dem Ersten Weihnachtstag.
Als Deutsche war ich in Australien vielen Vorurteilen ausgesetzt. Die Australier hatten im 1. und 2. Weltkrieg an der Seite der Briten gegen die Deutschen gekämpft. Damals war Deutschland der Feind und die britisch gefärbte Propaganda stellte die Deutschen als blutdurstige, angriffslustige und brutale Barbaren da, die alle Frauen vergewaltigen und alle Kinder niedermetzeln wollten. Ähnlich der deutschen Propaganda zu den Russen. Solche “Wahrheiten” können in einer Gesellschaft leicht Fuss fassen.
Die große geografische Abgeschiedenheit von Europa bedeutet, dass viele Australier eher wenig Kontakt zu Europa oder gar den Deutschen haben. Ausserdem sind ihre Kenntnisse von Deutschland und den Deutschen oft durch endlose Wiederholungen im TV über Hitler und den Holocaust geprägt. So sind wir Deutschen für viele Australier schlichtweg Nazis, auch wenn sie es einem nicht immer ins Gesicht sagen. Wir sind in den Augen vieler durch unsere kollektive Schuld belastet. Andere ‘kennen’ die Deutschen aus der Sicht des Oktoberfests: Als Bier-konsumierende, Wurst und Sauerkraut-essende Lederhosenträger, deren Frauen samt und sonders durch ihre üppigen Busen geprägt sind. Ich fiel nicht in letztere Kategorie, trank nicht einmal gern Bier, weswegen mein erster, australischer Ehemann auch offen und in meiner Anwesenheit bedauert wurde!
Aber so ist es halt mit Klischees, nicht? Zu gern fällt man darauf zurück, wenn man so die Fehler der Anderen anprangern kann, sich selbst als Besserwisser oder Bessertuer darstellen kann.
Mal ehrlich: Sind alle Amerikaner pro-Donald-Trump? Bestimmt nicht!
Die AfD macht sich in Deutschland stark, deshalb sind nicht alle Deutschen wiedergeborene Nazis, Ausländer-feindlich oder automatisch Antisemetisch.
In Australien hatten wir mehr jüdische und europäische Freunde als australische. Unsere jüdischen Freunde und Bekannten zeichneten sich durch ihren herrlichen Humor aus, durch ihr Wissen um die Weltgeschichte, ihre Lebensart – und dadurch, dass sie uns Deutsche akzeptierten.
Das klingt paradox, oder? Vielleicht erklärt es sich dadurch, dass so viele von ihnen selbst in Deutschland geboren worden waren und sich der deutschen Kultur und Art und Weise näher fühlten als der Australischen.
Ich erinnere mich, wie ich das erste Mal beim Jüdischen Holocaust Museum in Melbourne anrief, um einen Schulbesuch anzumelden.
“Ich muss Ihnen aber sagen: Es ist eine Deutschklasse, die ich bringen möchte”, sagte ich und erwartete eine Absage. “Warum nicht?” kam die Antwort. “Wir freuen uns auf Ihren Besuch!”
Es war ein eindringliches Erlebnis für mich und meine Schüler, das Holocaust Museum zu besuchen. Einerseits waren da die Fotos, die Zeitungsausschnitte, die Statistiken. Dann erzählten uns zwei ‘Holocaust Survivors’, zwei deutsche Juden, die Auschwitz überlebt hatten, aus ihrem Leben. Sie taten das, ohne anzuklagen, ohne zu verurteilen oder anzuprangern. Sie waren Menschen, die uns tief beeindruckten. Sie freuten sich, dass wir Interesse an ihren Geschichten hatten. Aber das Beste war, dass wir uns gegenseitig akzeptierten.
Australien hat seit dem Beginn der ernsthaft betriebenen europäischen Kolonisation im 19. Jahrhundert (obwohl Europäer schon ab 1600 in Australien landeten) viele verschiedene Nationen aufgenommen und absorbiert. Dominant ist immer noch die britische Bevölkerung, die auch die Gesetzgebung und den Großteil des sozialen Lebens bestimmt. Spätestens nach dem 2. Weltkrieg wurden gezielt europäische Einwanderer angeworben, vorzugsweise Nordeuropäer. In Australien herrschte eine ungeschriebene “White Australia Policy” bis 1973!
Obwohl eine Flut von Einwanderern eintraf, wurde von ihnen erwartet, sich in die dominante Kultur einzugliedern – erst durch “assimilation”, dann durch “integration”. Schliesslich wurde ein neues Modell geprägt: Der Multikulturismus.
in Australien gelebt. Nicht meine Kleidung verriet mich, aber mein Akzent (der eher leicht war, ich wurde oft für eine Skandinavierin gehalten) und gewisse kulturelle Unterschiede, z.B. dass wir das Weihnachtsfest am
24. Dezember feierten und nicht wie die Australier am 25., dem Ersten Weihnachtstag.
Als Deutsche war ich in Australien vielen Vorurteilen ausgesetzt. Die Australier hatten im 1. und 2. Weltkrieg an der Seite der Briten gegen die Deutschen gekämpft. Damals war Deutschland der Feind und die britisch gefärbte Propaganda stellte die Deutschen als blutdurstige, angriffslustige und brutale Barbaren da, die alle Frauen vergewaltigen und alle Kinder niedermetzeln wollten. Ähnlich der deutschen Propaganda zu den Russen. Solche “Wahrheiten” können in einer Gesellschaft leicht Fuss fassen.
Die große geografische Abgeschiedenheit von Europa bedeutet, dass viele Australier eher wenig Kontakt zu Europa oder gar den Deutschen haben. Ausserdem sind ihre Kenntnisse von Deutschland und den Deutschen oft durch endlose Wiederholungen im TV über Hitler und den Holocaust geprägt. So sind wir Deutschen für viele Australier schlichtweg Nazis, auch wenn sie es einem nicht immer ins Gesicht sagen. Wir sind in den Augen vieler durch unsere kollektive Schuld belastet. Andere ‘kennen’ die Deutschen aus der Sicht des Oktoberfests: Als Bier-konsumierende, Wurst und Sauerkraut-essende Lederhosenträger, deren Frauen samt und sonders durch ihre üppigen Busen geprägt sind. Ich fiel nicht in letztere Kategorie, trank nicht einmal gern Bier, weswegen mein erster, australischer Ehemann auch offen und in meiner Anwesenheit bedauert wurde!
Aber so ist es halt mit Klischees, nicht? Zu gern fällt man darauf zurück, wenn man so die Fehler der Anderen anprangern kann, sich selbst als Besserwisser oder Bessertuer darstellen kann.
Mal ehrlich: Sind alle Amerikaner pro-Donald-Trump? Bestimmt nicht!
Die AfD macht sich in Deutschland stark, deshalb sind nicht alle Deutschen wiedergeborene Nazis, Ausländer-feindlich oder automatisch Antisemetisch.
In Australien hatten wir mehr jüdische und europäische Freunde als australische. Unsere jüdischen Freunde und Bekannten zeichneten sich durch ihren herrlichen Humor aus, durch ihr Wissen um die Weltgeschichte, ihre Lebensart – und dadurch, dass sie uns Deutsche akzeptierten.
Das klingt paradox, oder? Vielleicht erklärt es sich dadurch, dass so viele von ihnen selbst in Deutschland geboren worden waren und sich der deutschen Kultur und Art und Weise näher fühlten als der Australischen.
Ich erinnere mich, wie ich das erste Mal beim Jüdischen Holocaust Museum in Melbourne anrief, um einen Schulbesuch anzumelden.
“Ich muss Ihnen aber sagen: Es ist eine Deutschklasse, die ich bringen möchte”, sagte ich und erwartete eine Absage. “Warum nicht?” kam die Antwort. “Wir freuen uns auf Ihren Besuch!”
Es war ein eindringliches Erlebnis für mich und meine Schüler, das Holocaust Museum zu besuchen. Einerseits waren da die Fotos, die Zeitungsausschnitte, die Statistiken. Dann erzählten uns zwei ‘Holocaust Survivors’, zwei deutsche Juden, die Auschwitz überlebt hatten, aus ihrem Leben. Sie taten das, ohne anzuklagen, ohne zu verurteilen oder anzuprangern. Sie waren Menschen, die uns tief beeindruckten. Sie freuten sich, dass wir Interesse an ihren Geschichten hatten. Aber das Beste war, dass wir uns gegenseitig akzeptierten.
Australien hat seit dem Beginn der ernsthaft betriebenen europäischen Kolonisation im 19. Jahrhundert (obwohl Europäer schon ab 1600 in Australien landeten) viele verschiedene Nationen aufgenommen und absorbiert. Dominant ist immer noch die britische Bevölkerung, die auch die Gesetzgebung und den Großteil des sozialen Lebens bestimmt. Spätestens nach dem 2. Weltkrieg wurden gezielt europäische Einwanderer angeworben, vorzugsweise Nordeuropäer. In Australien herrschte eine ungeschriebene “White Australia Policy” bis 1973!
Obwohl eine Flut von Einwanderern eintraf, wurde von ihnen erwartet, sich in die dominante Kultur einzugliedern – erst durch “assimilation”, dann durch “integration”. Schliesslich wurde ein neues Modell geprägt: Der Multikulturismus.
“Multikulturismus” – das klingt doch nach dem Gelben vom Ei, nicht? Endlich etwas, was dieses Gewirr von Nationalitäten, das Australien ausmacht, unter einen Hut bringt!
Aber was bedeutet Multikulturismus eigentlich in der Praxis?
Ich meine, es bedeutet eine Gesellschaft, die sich wie ein Mosaik aus vielen verschiedenen Teilchen zusammenfügt (und ich danke meinem Freund, Hans Schroeder, der mich zuerst auf die ‘Mosaik Gesellschaft’ aufmerksam gemacht hat). Ich verstehe darunter:
Viele Völkergruppen, die neben einander her leben, sich berühren, sich vermischen - aber nie ganz gleich werden.
Wir Fremden (sprich Neu-Australier der ersten Generation) wissen, was von der australischen Gesellschaft von uns erwartet wird, aber wir suchen gleichzeitig auch unsere eigene Kultur zu erhalten. Und so steuern wir der australischen Kultur und den australischen Werten bei – z.B. mit unserem Essen, mit unseren Sprachen, mit Straßen- oder Stadtviertelfesten, mit unseren Läden und Restaurants – und behalten zumindest teilweise unsere eigenen Bräuche. So gibt es in Melbourne z.B. Stadtteile, die von verschiedenen Nationalitäten geprägt sind, wie z.B. Chinatown mitten in der City, oder das italienische Viertel, Carlton. Jede neue Gruppe von Zuwanderern findet auch zueinander. Die Schulen und Bibliotheken in den verschiedenen Stadtteilen versuchen, die dominanten Fremdsprachen in ihrem Angebot zu reflektieren.
So etwas ist für mich echter Multikulturismus – die Neugier unter den Alteingessenen zu fördern, das Neue mal zu beschnuppern und kennenzulernen!
Wie gesagt: Ich hatte gedacht, mit meiner Rückkehr nach Deutschland hätte ich das Thema Integration abgehakt. Ein Thema, das mich in Australien so lange beschäftigt hat und mich auch dazu führte, mit anderen deutschen Einwanderern zu sprechen und ihre Geschichten aufzuschreiben und eine Ausstellung zu dem Thema zu inszenieren.
Nun bin ich hier, und durch meinen Deutschkurs, dem Treffen mit den ‘Asylbewerbern’ (wann bekommen sie endlich einen anderen Namen? ‘Neudeutsche’ vielleicht, wie wir in Australien ‘New Australians’ waren!) und die Berichte und Debatten, die sich in den Medien ausspielen, bin ich erneut mit Integration konfrontiert. Einerseits treffe ich die Flüchtlingshelfer hier auf Föhr, die sich unermüdlich einsetzen, um den Zuwanderern zu helfen und ihnen den Weg in unsere Gesellschaft zu ebnen.
Ich treffe andere Leute, die sich abfällig äußern. Ich lese die teilweise recht hetzerischen Schlagzeilen in den Zeitungen, die die unterstützen, die den Flüchtlingen die Schuld an allem zuschieben wollen: Arbeitslosigkeit Deutscher (‘Die nehmen unsere Arbeitsstellen’); Armut unter deutschen Rentnern (Der Staat verschwendet Geld an denen, gibt uns aber nichts); und Kriminalität.
Vielleicht scheint es nur mir so: Aber sind die Schlagzeilen nicht größer und fett gedruckter, wenn mal wieder ein Syrer, ein Iraker oder ein ‘Mann, arabischer Erscheinung’ eine Gewalttat begangen hat? Während der Deutsche, der seine Frau ersticht und die Leiche versteckt nur mit einer kleinen Notiz bedacht wird?
Sind alle Muslime kriminell, weil einige es sind?
Eine Studie des Kriminalwissenschaftlers Christian Pfeiffer zeigt,
“dass Asylbewerber, wenn man von Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz absieht, nicht häufiger straffällig werden als Deutsche oder andere Migranten.” (Christian Pfeiffer im Interview mit Anne-Beatrice Clasmann, Junge Flüchtlinge und die Gewalt, Inselbote, 4.1.2018)
Kürzlich sorgte eine 93 jährige Rentnerin auf Amrum für einen spektakulären Autounfall – beim Ausparken gelang es ihr, zwei andere, parkende PKWs zu rammen, ein vorbeifahrendes Auto zu streifen und schließlich derartig auf einen Wagen aufzufahren, dass jener umkippte und ihr eigenes Auto obenauf landete. (Inselbote)
Immer wieder liest man von einzelnen Fällen von Fahrern in fortgeschrittenem Alter, die Unfälle verursachen.
Bedeutet das nun, dass sämtliche Rentner über 65 von den Fahrbahnen verbannt und ihre Führerscheine eingezogen werden müssen? Darf man Menschen so pauschal verurteilen?
“Warum fahrt ihr eigentlich einmal im Monat nach Hamburg?” frage ich meine Gruppe. “Zum Einkaufen,” antworten sie. Gibt es nicht genug Supermärkte (drei immerhin) auf Föhr? Oder ist es in Hamburg billiger?
“Es ist wegen Halal,” erklären sie mir. “Hier können wir nicht Halal bekommen.” Halal bedeutet, dass Nahrungsmittel ähnlich wie bei kosher rituell rein und zur Nahrungsaufnahme geeignet sind. (Halal)
“In Melbourne führen alle großen Supermärkte koshere Lebensmittel. Es gibt viele Läden, die auch Halal anbieten”, erzähle ich. Und füge hinzu: “Wartet nur ab, wenn Knudsen (unser örtlicher Edeka Markt) merkt, dass es einen Markt für Halal hier auf der Insel gibt, werden sie es bald anbieten. Ähnlich wie sie jetzt Lebensmittel und Gemüse nicht nur als Bio Produkte anbieten, sondern auch schon als Vegan!” Hoffentlich stimmt meine Zukunftsprognose. Halal in Knudsens Regalen wäre echt ein Zeichen, dass unsere neuen Mitbürger als ernsthafte Konsumenten akzeptiert sind!
Über die Integration von Flüchtlingen befragt, äußert sich der Schleswig-Holsteinische Innenminister, Hans-Joachim Grote, folgendermaßen:
“Der Kern ist für mich dabei fördern und fordern. Wir werden
etwa beim Zugang zum Arbeitsmarkt darüber nachdenken
müssen, die Leute dort abzuholen, wo sie heute stehen,
und nicht einen deutschen Normalabschluss vorauszusetzen.
Die Frage ist doch: Können wir es uns erlauben, Fähigkeiten
brach liegen zu lassen, nur weil kein Diplom nach unseren
Standards vorliegt? Hier müssen neue Wege gefunden werden. “
(Interview mit dem Innenminister für SH, Hans-Joachim Grote, Wir müssen mehr nach vorne denken, Inselbote, 2.1.2018)
Das halte ich für einen ausgezeichneten Ansatz.
Denn darum geht es doch eigentlich, wenn wir von ‘Integration’ sprechen. It has to work two ways – es muss doch zweigleisig laufen. Einerseits sollen die, die aus anderen Ländern kommen, lernen unsere Sprache zu sprechen. Mit der Sprache finden sie Arbeit, können unsere Regeln lernen, sich ins soziale und politische Gewirr einfügen – und wir können uns gegenseitig austauschen. Mit der Sprache können sie sich in ihre Gastgesellschaft und das Leben im fremden Lande einfügen.
Anderseits müssen auch wir sie in unsere Gemeinschaft integrieren, nicht nur ihre Speisen und Spezialitäten in unsere Menüs absorbieren, sondern auch akzeptieren, dass die Neuankömmlinge ihre eigene Sprache und ihre eigenen Sitten mitbringen, die sie nicht unbedingt aufgeben wollen.
Um nicht anzuecken, anzustoßen oder aufzufallen geben die Deutschen in Australien sich die größte Mühe, die australischen Regeln zu akzeptieren und sich inne zu machen. Aber wir sind auch nicht bereit, uns selbst zu verleugnen. So sprechen wir weiter unsere eigene Sprache. Wir bauen deutsche Kindergärten und Schulen auf, damit unsere Kinder ihre Muttersprache, und damit die Verbindung zur Heimat und zur Familie nicht verlieren. Wir besuchen deutsche Restaurants und Feste (ja, auch das Oktoberfest!) und unterstützen das jährliche Deutsche Filmfestival, das Originalfilme von der Berlinale zeigt. Wir – und alle anderen in Australien vertretenen Nationen – haben unsere eigenen Institutionen aufgebaut – u.a. das Goethe Institut oder die Goethe Societies; deutsche Clubs und Vereine und Fussballmannschaften und Seniorenheime.
Auch in der Fremde bleiben wir unseren Wurzeln treu, mal brutzeln wir wie die Aussies am Barbecue, mal schmoren wir eine deutsche Weihnachtsgans.
Bei der Integrationsdebatte dürfen wir nicht vergessen, das auch von uns, der Gastgesellschaft, etwas verlangt wird: Uns dem Neuen und Anderen zu öffnen.
“Es ist wegen Halal,” erklären sie mir. “Hier können wir nicht Halal bekommen.” Halal bedeutet, dass Nahrungsmittel ähnlich wie bei kosher rituell rein und zur Nahrungsaufnahme geeignet sind. (Halal)
“In Melbourne führen alle großen Supermärkte koshere Lebensmittel. Es gibt viele Läden, die auch Halal anbieten”, erzähle ich. Und füge hinzu: “Wartet nur ab, wenn Knudsen (unser örtlicher Edeka Markt) merkt, dass es einen Markt für Halal hier auf der Insel gibt, werden sie es bald anbieten. Ähnlich wie sie jetzt Lebensmittel und Gemüse nicht nur als Bio Produkte anbieten, sondern auch schon als Vegan!” Hoffentlich stimmt meine Zukunftsprognose. Halal in Knudsens Regalen wäre echt ein Zeichen, dass unsere neuen Mitbürger als ernsthafte Konsumenten akzeptiert sind!
Über die Integration von Flüchtlingen befragt, äußert sich der Schleswig-Holsteinische Innenminister, Hans-Joachim Grote, folgendermaßen:
“Der Kern ist für mich dabei fördern und fordern. Wir werden
etwa beim Zugang zum Arbeitsmarkt darüber nachdenken
müssen, die Leute dort abzuholen, wo sie heute stehen,
und nicht einen deutschen Normalabschluss vorauszusetzen.
Die Frage ist doch: Können wir es uns erlauben, Fähigkeiten
brach liegen zu lassen, nur weil kein Diplom nach unseren
Standards vorliegt? Hier müssen neue Wege gefunden werden. “
(Interview mit dem Innenminister für SH, Hans-Joachim Grote, Wir müssen mehr nach vorne denken, Inselbote, 2.1.2018)
Das halte ich für einen ausgezeichneten Ansatz.
Denn darum geht es doch eigentlich, wenn wir von ‘Integration’ sprechen. It has to work two ways – es muss doch zweigleisig laufen. Einerseits sollen die, die aus anderen Ländern kommen, lernen unsere Sprache zu sprechen. Mit der Sprache finden sie Arbeit, können unsere Regeln lernen, sich ins soziale und politische Gewirr einfügen – und wir können uns gegenseitig austauschen. Mit der Sprache können sie sich in ihre Gastgesellschaft und das Leben im fremden Lande einfügen.
Anderseits müssen auch wir sie in unsere Gemeinschaft integrieren, nicht nur ihre Speisen und Spezialitäten in unsere Menüs absorbieren, sondern auch akzeptieren, dass die Neuankömmlinge ihre eigene Sprache und ihre eigenen Sitten mitbringen, die sie nicht unbedingt aufgeben wollen.
Um nicht anzuecken, anzustoßen oder aufzufallen geben die Deutschen in Australien sich die größte Mühe, die australischen Regeln zu akzeptieren und sich inne zu machen. Aber wir sind auch nicht bereit, uns selbst zu verleugnen. So sprechen wir weiter unsere eigene Sprache. Wir bauen deutsche Kindergärten und Schulen auf, damit unsere Kinder ihre Muttersprache, und damit die Verbindung zur Heimat und zur Familie nicht verlieren. Wir besuchen deutsche Restaurants und Feste (ja, auch das Oktoberfest!) und unterstützen das jährliche Deutsche Filmfestival, das Originalfilme von der Berlinale zeigt. Wir – und alle anderen in Australien vertretenen Nationen – haben unsere eigenen Institutionen aufgebaut – u.a. das Goethe Institut oder die Goethe Societies; deutsche Clubs und Vereine und Fussballmannschaften und Seniorenheime.
Auch in der Fremde bleiben wir unseren Wurzeln treu, mal brutzeln wir wie die Aussies am Barbecue, mal schmoren wir eine deutsche Weihnachtsgans.
Bei der Integrationsdebatte dürfen wir nicht vergessen, das auch von uns, der Gastgesellschaft, etwas verlangt wird: Uns dem Neuen und Anderen zu öffnen.
Und überhaupt, wie kämen wir heutzutage noch ohne die Frühlingsrolle, das Sushi, den Döner und Co aus? Nicht weniger wegzudenken aus der deutschen Küche wie z.B. Pizza, Gyros, Baguette oder Hamburger, um nur ein paar zu nennen!