Jedes Jahr kehren deutsche Auswanderer zurück in ihre alte Heimat. Was treibt uns dazu? Der Wunsch, näher bei der Familie zu sein sicherlich. Das Altbekannte neu erleben; sich in seiner eigenen Sprache ausdrücken; von der eigenen Kultur umgeben sein ... Unsere eigene Rückwanderung wird Realität,aber wir erlauben uns auch die Freiheit, erstmal zu kosten, wie es ist, da drüben, in der alten Heimat, zu leben ...
Seit drei Jahren besitzen wir eine Villa an der Nordsee - jetzt probieren wir mal aus, ob eine Rückkehr in die alte Heimat für uns möglich ist ...
Seit drei Jahren besitzen wir eine Villa an der Nordsee - na ja, nicht direkt an der Nordsee, genau gesehen sind wir vier Straßenzüge vom Meer entfernt. Meinem Lebensgefährten gibt das ein angenehmes Gefühl der Sicherheit. "Können wir überflutet werden?", war eine seiner erster Fragen, als wir uns entschieden, das geerbte Haus auf der Insel Föhr für uns selbst zu behalten. Antwort auf die Flutfrage: "Eher nicht."
Da müsste das Wasser schon ganz schön auflaufen, und obwohl ich Sturmfluten auf der Insel erlebt habe - sogar die Große von 1962 - ist das Meer nie bis zu Oma und Opas Haus vorgedrungen.
Da müsste das Wasser schon ganz schön auflaufen, und obwohl ich Sturmfluten auf der Insel erlebt habe - sogar die Große von 1962 - ist das Meer nie bis zu Oma und Opas Haus vorgedrungen.
Ja, so kenne ich das Haus, das jetzt uns gehört. Eine wunderschöne Jugendstil Villa, erbaut im Jahre 1901 für meine Urgroßmutter und ihren Bruder. Urgroßmutter stammte aus Süderlügum, ihr Mann war dort als Lehrer tätig gewesen. Nur leider starb er viel zu jung, und Urgroßmutter beschloss mit ihren fünf kleinen Kindern auf die Insel Föhr zu ziehen. Ein Brief, den ich in den Unterlagen meiner Tante fand , ist ein Beileids- und Dankschreiben der Gemeinde Süderlügum, das den Urgroßvater sehr lobt.
Der Urgroßonkel entschloss sich nach einem missglückten Versuch nach Amerika auszuwandern, zusammen mit seiner Schwester auf die Insel zu ziehen. Auf dem Schiff, auf dem er reiste, war Krankheit ausgebrochen und von Amerika sah er nur die Quarantäne Station.
Oft wundere ich mich, wie die Urgroßmutter und ihr Bruder zusammen mit fünf Kindern in das Haus passten, das damals aus einer Küche, einer Wohnstube und zwei Schlafzimmern (plus einer kleinen Kammer, die erst in den 50er Jahren zu einem Bad wurde), leben konnten?
Erst zehn Jahre später bauten sie an: Sie ergänzenten das Haus unten um eine Küche und drei Zimmer. Die ehemalige Küche wurde zu der 'guten Stube' - so hieß das in unser Kindheit; die Stube, in der wir Weihnachten feierten, uns zum Oster- und Pfingstmahl niederließen, und wo Oma in einer Vitrine ihr bestes Kristall aufbewahrte.
1935 stockten sie den hinteren Teil auf und schufen so eine kleine Wohnung, die von der Urgroßmutter bezogen wurde, als mein Opa meine Oma heiratete. Wie stolz die Beiden gewesen mussten - Ewald und Meta.
Ewald hatte eine Tischlerlehre abgeschlossen und war als Geselle auf Wanderschaft gegangen. Er erwarb seinen Meisterbrief und baute auf dem hinteren Teil des Grundstücks eine Werkstatt.
Ein Schild am Eingang zum Grundstück verkündete stolz: Ewald Nielsen - Möbeltischlerei.
Die Geräusche der großen Kreissäge am Eingang zur Werkstatt, das Hämmern, Klopfen und Sägen, der Geruch nach Sägespäne und Holzleim begleiteten meine Kindheit.
In einem der Schlafzimmer fanden wir unter dem Putz einen Schriftzug, in Opas Schrift, an die ich mich noch so gut erinnere, stand dort: Meta und Ewald Nielsen. Ein Gruß aus dem Jenseits - Opa starb 1970, zwei Jahre bevor ich nach Australien auswanderte, Oma wenige Jahre später.
Vielleicht habe ich den Drang auszuwandern von jenem schattenhaften Uronkel Christian geerbt, dessen Reise Truhen noch immer oben auf dem Dachboden stehen? Und hat der unbekannte Uropa seine Hand im Spiel gehabt, als ich mich entschloss Lehrerin zu werden?
Ganz sicher ist, wenn ich das Haus betrete, unsere Villa, dann ist es ein Nachhause-kommen. Wenn ich den Schlüssel ins Schloss stecke, durch die Tür schreite, durch die schon drei Generationen von Nielsens ins Haus getreten sind, dann fühle ich mich willkommen. Die alte Treppe knarrt, als ob Opa hinunterkommt, um mich zu begrüßen; aus der Küche scheinen Düfte zu dringen, die von Omas Speisen kommen und ruft da nicht jemand: "Seid ihr das?" Meine Tante Helga, zuletzt Besitzerin und Hüterin des Hauses.
Oma und Opas Haus, zuletzt von meiner Tante bewohnt, nimmt mich auf. Unzählige Kindheitserinnerungen verbinden mich mit dem Gemäuer - scheinbar öfter als in unserem eigenen Heim haben wir hier gefeiert, musiziert, gespielt, Geschichten vorgelesen oder erzählt bekommen. Mensch ärger dich nicht gespielt; die kleinen Holzfiguren aus dem Erzgebirge aufgebaut, die schon dem viel zu früh im Krieg gefallenen Onkel gehört haben. Oma beim Birnen-ernten und Stachelbeer-pflücken geholfen. Weihnachtsplätzchen gebacken. Ostereier im Garten gesucht. Auf dem Hof geschaukelt; Opa in der Werkstatt geholfen. Gelernt wie ein Zirkuskünstler auf Stelzen zu laufen (die Opa uns gefertigt hatte).
Im Winter holte Opa den Schlitten raus und zeigte uns, wie man die Kufen vom Rost befreit, um noch schneller den Deich hinunter rodeln zu können. Einmal bauten wir eine Schneehöhle an der Schuppenwand und wärmten un hinterher am Kachelofen. Backäpfel rösteten im Ofenrohr. Im Herbst ölte Opa unsere Rollschuhe und löste geduldig verklemmte Reisverschlüsse in unseren Anoraks ...
Und nun gehört die Villa meinem Lebensgefährten und mir. Seit drei Jahren renovieren wir. Das Haus nimmt uns nichts übel, dankbar lässt es sich auf die alten Zähne fühlen, lässt alles über sich ergehen: Bekommt neue Leitungen, erlaubt uns die alten Rohre aus den Wänden zu ziehen (teilweise noch aus Blei oder Gusseisen); lässt sich den Putz von den Wänden klauben und gibt freiwillig das alte Isolierungsmaterial auf: Stroh und Zeitungen, die noch aus dem Jahre 1890 stammen!
Vorsichtig und behutsam führt unser Handwerker die Arbeiten aus, stört die alten Dame nur ungern, modernisiert ohne ihren Charakter zu zerstören. Und nun ist sie fast für uns bereit. Drei Jahre, fast vier, träumen wir davon, das Haus fertigzustellen, dort zu wohnen ... und vielleicht sogar ganz und gar dorthin zurückzuziehen. Gelingt es uns, zurück zu gehen - unsere Zukunft dort zu verbringen?
Vom riesigen Kontinent Australien, aus der Millionenstadt Melbourne auf die kleine Nordseeinsel Föhr? Ins 175 Jahre alte Städtchen Wyk?
Für mich ist es 45 Jahre her, dass ich Föhr verließ. Für meinen Lebensgefährten, Andre, ist es noch länger. 1954 bestieg er als Achtjähriger die Skaubryn, um mit seiner Mutter und seinem Stiefvater in die 'neue Welt zu reisen.
Also versuchen wir es mal ... zurück in die Zukunft.
Der Urgroßonkel entschloss sich nach einem missglückten Versuch nach Amerika auszuwandern, zusammen mit seiner Schwester auf die Insel zu ziehen. Auf dem Schiff, auf dem er reiste, war Krankheit ausgebrochen und von Amerika sah er nur die Quarantäne Station.
Oft wundere ich mich, wie die Urgroßmutter und ihr Bruder zusammen mit fünf Kindern in das Haus passten, das damals aus einer Küche, einer Wohnstube und zwei Schlafzimmern (plus einer kleinen Kammer, die erst in den 50er Jahren zu einem Bad wurde), leben konnten?
Erst zehn Jahre später bauten sie an: Sie ergänzenten das Haus unten um eine Küche und drei Zimmer. Die ehemalige Küche wurde zu der 'guten Stube' - so hieß das in unser Kindheit; die Stube, in der wir Weihnachten feierten, uns zum Oster- und Pfingstmahl niederließen, und wo Oma in einer Vitrine ihr bestes Kristall aufbewahrte.
1935 stockten sie den hinteren Teil auf und schufen so eine kleine Wohnung, die von der Urgroßmutter bezogen wurde, als mein Opa meine Oma heiratete. Wie stolz die Beiden gewesen mussten - Ewald und Meta.
Ewald hatte eine Tischlerlehre abgeschlossen und war als Geselle auf Wanderschaft gegangen. Er erwarb seinen Meisterbrief und baute auf dem hinteren Teil des Grundstücks eine Werkstatt.
Ein Schild am Eingang zum Grundstück verkündete stolz: Ewald Nielsen - Möbeltischlerei.
Die Geräusche der großen Kreissäge am Eingang zur Werkstatt, das Hämmern, Klopfen und Sägen, der Geruch nach Sägespäne und Holzleim begleiteten meine Kindheit.
In einem der Schlafzimmer fanden wir unter dem Putz einen Schriftzug, in Opas Schrift, an die ich mich noch so gut erinnere, stand dort: Meta und Ewald Nielsen. Ein Gruß aus dem Jenseits - Opa starb 1970, zwei Jahre bevor ich nach Australien auswanderte, Oma wenige Jahre später.
Vielleicht habe ich den Drang auszuwandern von jenem schattenhaften Uronkel Christian geerbt, dessen Reise Truhen noch immer oben auf dem Dachboden stehen? Und hat der unbekannte Uropa seine Hand im Spiel gehabt, als ich mich entschloss Lehrerin zu werden?
Ganz sicher ist, wenn ich das Haus betrete, unsere Villa, dann ist es ein Nachhause-kommen. Wenn ich den Schlüssel ins Schloss stecke, durch die Tür schreite, durch die schon drei Generationen von Nielsens ins Haus getreten sind, dann fühle ich mich willkommen. Die alte Treppe knarrt, als ob Opa hinunterkommt, um mich zu begrüßen; aus der Küche scheinen Düfte zu dringen, die von Omas Speisen kommen und ruft da nicht jemand: "Seid ihr das?" Meine Tante Helga, zuletzt Besitzerin und Hüterin des Hauses.
Oma und Opas Haus, zuletzt von meiner Tante bewohnt, nimmt mich auf. Unzählige Kindheitserinnerungen verbinden mich mit dem Gemäuer - scheinbar öfter als in unserem eigenen Heim haben wir hier gefeiert, musiziert, gespielt, Geschichten vorgelesen oder erzählt bekommen. Mensch ärger dich nicht gespielt; die kleinen Holzfiguren aus dem Erzgebirge aufgebaut, die schon dem viel zu früh im Krieg gefallenen Onkel gehört haben. Oma beim Birnen-ernten und Stachelbeer-pflücken geholfen. Weihnachtsplätzchen gebacken. Ostereier im Garten gesucht. Auf dem Hof geschaukelt; Opa in der Werkstatt geholfen. Gelernt wie ein Zirkuskünstler auf Stelzen zu laufen (die Opa uns gefertigt hatte).
Im Winter holte Opa den Schlitten raus und zeigte uns, wie man die Kufen vom Rost befreit, um noch schneller den Deich hinunter rodeln zu können. Einmal bauten wir eine Schneehöhle an der Schuppenwand und wärmten un hinterher am Kachelofen. Backäpfel rösteten im Ofenrohr. Im Herbst ölte Opa unsere Rollschuhe und löste geduldig verklemmte Reisverschlüsse in unseren Anoraks ...
Und nun gehört die Villa meinem Lebensgefährten und mir. Seit drei Jahren renovieren wir. Das Haus nimmt uns nichts übel, dankbar lässt es sich auf die alten Zähne fühlen, lässt alles über sich ergehen: Bekommt neue Leitungen, erlaubt uns die alten Rohre aus den Wänden zu ziehen (teilweise noch aus Blei oder Gusseisen); lässt sich den Putz von den Wänden klauben und gibt freiwillig das alte Isolierungsmaterial auf: Stroh und Zeitungen, die noch aus dem Jahre 1890 stammen!
Vorsichtig und behutsam führt unser Handwerker die Arbeiten aus, stört die alten Dame nur ungern, modernisiert ohne ihren Charakter zu zerstören. Und nun ist sie fast für uns bereit. Drei Jahre, fast vier, träumen wir davon, das Haus fertigzustellen, dort zu wohnen ... und vielleicht sogar ganz und gar dorthin zurückzuziehen. Gelingt es uns, zurück zu gehen - unsere Zukunft dort zu verbringen?
Vom riesigen Kontinent Australien, aus der Millionenstadt Melbourne auf die kleine Nordseeinsel Föhr? Ins 175 Jahre alte Städtchen Wyk?
Für mich ist es 45 Jahre her, dass ich Föhr verließ. Für meinen Lebensgefährten, Andre, ist es noch länger. 1954 bestieg er als Achtjähriger die Skaubryn, um mit seiner Mutter und seinem Stiefvater in die 'neue Welt zu reisen.
Also versuchen wir es mal ... zurück in die Zukunft.